Heute im PRENEUR Interview ist Beschir Hussain, ein Entrepreneur mit internationalen Gründererfolgen. Er hat bereits im arabischen Raum ein erfolgreiches Start-Up hochgezogen, seine Projekte wurden im Forbes und Entrepreneur Magazine gecovered, und er macht sich nun daran, mit Vadoli den Pizza Home Delivery Markt zu disrupten.
In Teil 1 erfahren wir von Beschir mehr über seine Erfolge und FuckUps, über Vadoli heute und in Zukunft und was er von Rocket Internet hält. In Teil 2 wird es schließlich um Beschir als Entrepreneur, seine Learnings aus Philosophie und Wirtschaft und seine persönlichen Leidenschaften gehen.
Hallo Beschir,
super, dass Du Dir Zeit genommen hast und Deinen Konkurrenten eine kurze Verschnaufspause gönnst 🙂 Bevor es mit Deiner Story und Vadoli losgeht, erzähl uns doch einleitend in wenigen Sätzen etwas über Dich.
Hi, mein Name ist Beschir, 30 Jahre alt und arbeite seit etwa sieben Jahren mit Start-Ups.
Du hast in 5 arabischen Ländern das erfolgreiche Start-Up Hellofood aufgezogen. Welche Verbindungen hast Du neben Deiner Herkunft zum arabischen Raum?
Ich habe mich schon während meines Studiums für den Nahen Osten interessiert und mehrere berufliche Aufenthalte in der Region gehabt. Nach dem Abitur bin ich durch verschiedene arabische Länder gereist. Meine erste berufliche Erfahrung mit der Region war ein dreimonatiges Praktikum im Büro des irakischen Ministerpräsidenten. Der Nahe Osten ist sehr vielfältig und hat gesellschaftlich sowie wirtschaftlich gesehen sehr interessante Herausforderungen, die junge Unternehmen lösen können.
Was waren Deine erste Schritten als Gründer?
Meine erste Gründung war das Avicenna-Studienwerk, ein vom Bundesforschungsministerium offiziell anerkanntes Begabtenförderwerk für Studierende und Promovierende in Deutschland. Das Studienwerk fördert aktuell knapp 200 begabte Studierende und Promovierende mit einem Verwaltungsvolumen in Höhe von 12 Millionen EUR.
Wie kam es schließlich zur Gründung von Hellofood? Was genau ist Hellofood?
Hellofood ist ein Online-Marktplatz, das Gastronomien aggregiert und Kunden die Möglichkeit gibt, Essen online zu bestellen. Es hat also eine intermediäre Funktion. Der Vorteil für Restaurants ist eine größere Transparenz und einen zusätzlichen Absatzkanal. Für den Kunden ist der Online-Bestellprozess bedeutend einfacher, bequemer und schneller.
Neben dem saudischen Telekommunikationsunternehmen Mobily sind auch der jordanische VC iMena und Rocket Internet eingestiegen. Rocket Internet ist umstritten, gerade im Umgang mit den eigenen Mitarbeitern, aber auch das Skalierungskonzept wird kritisiert. Wie stehst Du dazu?
Im Rahmen einer Gründung werden innerhalb der ersten Jahre vielleicht 20.000 strategische und operative Entscheidungen getroffen. Diese Entscheidungen entscheiden über den Erfolg. Sicherlich gibt es unterschiedliche Ansichten und Ansätze bei gewissen Fragestellungen. Diese Punkte werden konkret besprochen und man trifft eine gemeinsame Entscheidung. Ich kann nicht viel über die Position eines Angestellten bei Rocket Internet sprechen, weil ich keiner war. Meine persönliche Erfahrung mit Rocket Internet als Partner war insgesamt förderlich und für das Venture absolut bereichernd.
Bevor wir zurück nach Deutschland kommen: Doing Business in der arabischen Welt. Was sind die Unterschiede und worauf sollte man sich als Gründer im Nahen Osten einstellen? Gerade Saudi Arabien hat als Land aufgrund der drakonischen Gesetze ja oft einen faden Beigeschmack. Gab es dort aus Gründersicht noch ganz besondere Herausforderungen?
Die Herausforderungen in der Region sind wirklich elementar. In Saudi Arabien gibt es beispielsweise keine Adressen, sondern nur subjektive Wegbeschreibungen vom Kunden. Das ist für ein digitales Start-up eine schwere Nuss, die es zu knacken gilt. Oft sind es Selbstverständlichkeiten, die in Teilen dieser Region Probleme darstellen, die ein Gründer erst einmal lösen muss. Solche Probleme sind allerdings glücklicherweise nicht firmenbezogen. Jeder Gründer und potentieller Wettbewerber hat erst mal die gleichen Herausforderungen zu lösen. Für Neulinge sind das Eintrittsbarrieren.
Aus Gründersicht gibt es auch Gesetze, die die Entwicklung der Firma erschweren oder verlangsamen. In Saudi Arabien besteht zum Beispiel die so genannte Saudization Rate, die je nach Sektor und Unternehmensgröße vorschreibt, in welchem Verhältnis “Locals“ eingestellt werden müssen. Bei schnellwachsenden Unternehmen kann das dazu führen, dass nicht qualifizierte Mitarbeiter vorübergehend eingestellt werden. Es kann aber auch tatsächlich so weit gehen, dass sie nur für die Registrierung bezahlt werden ohne arbeiten zu müssen.
Was sind Deine größten Learnings durch die Erfahrungen mit Hellofood?
Ich habe gelernt zwischen wichtigen und dringlichen Aufgaben zu unterscheiden. Der Tag hat 24 Stunden. In Anfangs- und Wachstumsphasen hat man oft das Gefühl, dass die Aufgaben zeitlich unmöglich zu bewältigen wären, auch wenn man die dreifache Anzahl an Stunden hätte. Dann sitzt man auch mal eine Woche jeden Tag bis 4 Uhr morgens im Büro. Durch meine Erfahrung bei Hellofood habe ich gelernt, Aufgaben zu strukturieren und Prioritäten zu setzen. Das klingt banal, ist in der Praxis aber oft nicht ganz einfach.
Welche Veränderungen siehst du im Food Markt?
Der Food Markt ist ein großer Bereich mit diversen Problemen und unterschiedlichen Kundengruppen. Dadurch besteht auch die Möglichkeit und der Wunsch nach Co-Existenz von diversen unterschiedlich positionierten Anbietern, die jeweils sehr gut sind mit den Problemen, die sie zu lösen versuchen. Wenn wir über die längerfristige Entwicklung des Food Marktes nachdenken, gibt es drei Trends, die sich innerhalb der nächsten 10 Jahre vermutlich kaum verändern werden: Die Menschen erwarten eine höhere Qualität, sie möchten das Essen zu einem moderaten Preis beziehen und sie erwarten eine bessere und bequemlichere Beschaffung.
Kommen wir nun zu Deinem aktuellen Projekt. Du willst mit Vadoli den Markt für Home Delivery Pizza disrupten! Eine große Vision. Was macht euch so besonders?
Der Pizza Delivery Markt in Deutschland ist mit einem Wert von knapp 1 Milliarde EUR sehr attraktiv, wird allerdings heute immer noch durch die gleichen Anbieter dominiert, die sich in den 80er Jahren auf die Pan Pizza spezialisiert haben. Möchte ich eine wirklich gute Steinofenpizza bestellen, stehen mir nicht viele Optionen zur Verfügung. Über die Hälfte der Bestellungen wird immer noch telefonisch bearbeitet, die Auslieferung dauert überdurchschnittlich lange und bleibt für den Kunden intransparent.
An diesen Punkten setze ich gemeinsam mit meinem Partner Vincenzo Ferrera an. Vadoli ist eine neue Generation von Food Start Up, das sich auf die Zubereitung und Auslieferung von kreativen und frischen Gourmet-Pizzen spezialisiert. In der Produktentwicklung arbeiten wir mit einem Netzwerk von international renommierten Food-Chefs zusammen, die mit uns alle zwei Monate neue Rezepte kreieren. Wir haben eine relativ überschauliche Anzahl an Gerichten in allen drei Produktlinien – Pizza, Salat, Getränke – , können dadurch aber sehr selektiv arbeiten.
Ihr seid ein technologiebasiertes Unternehmen. Kannst Du ein oder zwei Beispiele nennen, wie Technologie euch dabei hilft, einen besseren Service anzubieten?
In der Zubereitung nutzen wir beispielsweise eine moderne Ofen-Technologie, die es uns erlaubt, die Gerichte innerhalb von 120 Sekunden bei 400 Grad aufzubacken. Dadurch können wir eine durchschnittliche Lieferzeit von aktuell 22 Minuten halten, weil die Food Prep Phase wirklich sehr kurz ist. In der Auslieferung arbeiten wir mit einem Induktionssystem, mit dem wir unsere Gourmet-Pizzen für etwa 45 Minuten warm und frisch halten können. Wenn wir beim Kunden ankommen, ist es so, als würden wir die Pizza frisch aus dem Ofen ziehen. Neben der gängigen IT Infrastruktur, führen wir demnächst ein Order Tracking System ein, das dem Kunden erlaubt, seine Bestellung per GPS zu verfolgen.
Aktuell seid ihr nur in Berlin. Wann wird expandiert? Werdet ihr bald auch schon international skalieren?
Wir haben vor drei Monaten unsere erste Kitchen in Berlin gelaunched. In der Anfangszeit ist uns besonders wichtig, dass wir uns auf die erste Geschäftseinheit konzentrieren, lernen, wie der Kunde auf unser Produkt reagiert und die Learnings institutionalisieren. Das Wachstum unseres Unternehmens ist bedingt durch das Modell nicht linear, sondern wellenartig. Geographischer Fokus ist aktuell die Hauptstadt. Bis Ende 2017 planen wir einen vollständigen Coverage unserer Hotspots in der Stadt Berlin.
Welche Investoren stehen hinter euch? Strebt ihr eine Serie-A Finanzierung an oder habt ihr sogar schon eine hinter euch?
Vadoli ist vollständig eigenfinanziert und bereits drei Monate nach Launch break-even. Um den Service schnellstmöglich einer noch breiteren Masse zugänglich zu machen ist allerdings eine Seed Runde für Anfang nächsten Jahres geplant.
Wie erreicht ihr den Kunden? Im Unterschied zu den großen Lieferservices müsst ihr mit eurem besonderen Food-Tech Konzept punkten. Wie bringt ihr die Botschaft an den Kunden und wie ist euer Marketing aufgebaut?
Etwa 50% unserer Kunden bestellen ein zweites Mal innerhalb der ersten 30 Tage nach Akquisition. Das ist für unseren Markt deutlich überdurchschnittlich und die wichtigste Kennzahl. Das liegt vor allem daran, dass unser Geschäftsmodell vorsieht, die gesamte Customer Experience entlang der Wertschöpfungskette zu kontrollieren. Wir betreiben unsere eigene Online Bestellplattform, haben eine firmeneigene Kitchen, in der wir die Gerichte zubereiten und eine eigene Logistik-Infrastruktur für die Fulfillment der Orders. Wahrscheinlich können wir dadurch insgesamt langsamer als andere Essens-Bestellplattformen wachsen, dafür aber deutlich höhere Wiederkaufsraten bei sehr attraktiven Deckungsbeiträgen vorweisen.
In der Akquisition konzentrieren wir uns auf die Konvertierung von Offline-Kunden. Im Unterschied zu klassischen Lieferdiensten haben wir Kitchens, also eine ständige Offline-Präsenz. Im Flagship Restaurant können unsere Kunden den Zubereitungsprozess miterleben. Das schafft einprägsame Markenerlebnisse und reale Berührungspunkte und heißt letzten Endes auch deutlich geringere Kundenakquisitionskosten.
Wie hoch sind eure Wachstumsraten zur Zeit?
Innerhalb der letzten drei Monate konnten wir unseren Umsatz jede Woche um 15% steigern.
Vadoli in 5 Jahren. Was ist Deine große Vision? Wie wird Vadoli in 5 Jahren aufgestellt sein und wie wird sich der Markt verändert haben?
Innerhalb der nächsten fünf Jahre werden wir uns weiterhin auf den deutschen Markt konzentrieren und erwarten eine führende Marktposition in unseren Target Städten. Wir werden weder zu aggressiv noch zu vorsichtig wachsen.
Beschir, besten Dank, dass Du uns an Deinem Werdegang und Deinem aktuellen Food-Tech Projekt hast teilhaben lassen. In Teil 2 sprechen wir vor allem über Entrepreneurship, ich bin schon sehr gespannt!